Warum schreiben? Was wollen wir erreichen?
Ein Diskussionsbeitrag aus der Sicht eines Selfpublishing (SP-)Autors.
Die Amateure
Vergleichen wir doch mal die Produktion von Text, »Literatur«, mit anderen Künsten. Kaum ein Amateurmusiker würde seine ersten halbwegs brauchbaren Aufnahmen gleich an Dutzende Plattenfirmen schicken und dabei auch noch hoffen, sofort einen Vertrag zu bekommen. Vielmehr bescheiden sich die meisten nicht-professionellen Musiker damit, ihre Kunst zu verbessern und sind zufrieden, wenn sie mit ihrer Musik sich selbst und anderen Menschen eine Freude bereiten können, Kirchenorgeln, Blas- oder Chormusik im Verein, jammen mit Freunden, vielleicht einmal im Monat einem Gig in einem Jazzkeller. Kaum einer, der damit sein Investment (Instrumente, Amps, u.v.m.) bezahlen kann, und nur ganz wenige können von ihrer Musik leben, aber darum geht es ja gar nicht. Die Arbeiten der Self-publisher (manchmal auch als graue Literatur bezeichnet) werden von keinem Verlag vertrieben, sondern von verlagsähnlichen Dienstleistern, vom Autor selbst, oder von seiner übergeordneten Institution oder Organisation (Universität, Museum) veröffentlicht und sind nicht im Buchhandel verfügbar.
Self-publisher sind sozusagen die Straßenmusiker des Literaturbetriebes. Frei, keiner Weisung unterworfen, müssen sich aber um alles selbst sorgen: Äußeres & Swag, Marketing und Werbung, Spielerlaubnis (bzw. Einladung zu einer Mucke), und so weiter.
Die Profis
Berufsmusiker haben ein langes und schweres Studium absolviert und hoffen zu Recht auf eine lebenslange Anstellung, wobei vielen die traurige Realität bewusst ist, dass sie ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen vielleicht gar nicht bis zum Pensionsalter in einem Spitzenorchester ausüben können.
Auch professionelle Schreiber, Texter, Autoren haben meist ein Studium in einem einschlägigen Fach (z.B. Journalismus, Literatur- oder Theaterwissenschaft, Medienkommunikation, etc.) hinter sich gebracht, das sie befähigt, qualitativ hochwertiges Material zu produzieren.
Die Ausnahmen
Natürlich gibt es Ausnahmen, Menschen, die ohne spezifische Ausbildung in die höchsten Sphären ihrer Kunst vorgedrungen sind und dort Anerkennung fanden. Beispiele wären J.K. Rowling, Mark Twain, Böll, Borchert, Brecht, u.v.m.; oder in der Musikwelt: die Beatles, Marius Müller-Westernhagen, Grönemeyer, Jimi Hendrix, Prince, etc. Es sind Ausnahmen, die in besonderer Befähigung, Genie oder aber Glück begründet sind. Meistens sind es aber Können und Glück, die in der richtigen Mischung und im richtigen Moment aufeinandertreffen.
Warum also schreiben, wenn es sowieso kaum wahrgenommen wird?
Der Weg ist das Ziel, nicht das Ergebnis. Der Amateurmusiker empfindet tiefe Befriedigung, wenn er sich ein neues Stück oder eine neue Technik erarbeitet hat (vom Profi erwartet man, dass er sein Instrument vollkommen beherrscht), noch schöner, wenn andere zuhören. Der Amateurfotograf freut sich, wenn seine Bilder immer besser werden. Vielleicht wird auch das eine oder andere Bild gedruckt oder kann bei einer Stockfoto-Agentur untergebracht werden, es gibt ein bisschen Geld dafür. Golfer, Motorradenthusiasten, Hobbyisten aller Art geben oft viel Geld für ihre Liebhaberei aus. Warum? Weil sie Spaß daran haben und Befriedigung darin finden. Auch der SP-Autor hat Kosten, die sich fast nie durch Buchverkäufe amortisieren (Laptop, Software, Lektorat/Korrektorat, Umschlaggestaltung, u.v.m.).
Wie in der Musik verlangt man zu Recht auch in der Literatur, dass gewisse technische Mindestanforderungen erfüllt werden (Orthografie, Grammatik, etc.) und wie in der Musik gibt es – glücklicherweise immer weniger – Kritiker, die sich selbst Fachleute nennen und die für sich beanspruchen, Kunst in gute und schlechte Kunst einteilen zu wollen. Literaturkritiker, die allen Ernstes eine Liste von Büchern aufstellen, die »man« gelesen haben sollte, weil sie ein »Kulturgut« seien und andere, die man auch getrost verbrennen (sic!) könnte. 12-Ton Musik, Blues (race records), Rock’n’roll, Hip-Hop, alles wurde einmal verteufelt, gilt aber mittlerweile als Kulturgut. Cartoons, Manga, grafische Novellen, Wilhelm Busch einmal ausgenommen, wurden selten ernst genommen, sondern als “Schundheftchen” aussortiert und von Grundschullehrern bekämpft und zerrissen. Mit welchem Recht?
Gut ist, was gefällt
Gut ist, was gefällt und der Begriff Kunst (im Gegensatz zu nicht-Kunst oder Kunsthandwerk) ist bei Weitem nicht in allen Kulturkreisen bekannt. Kann denn nicht auch ein brillant formulierter Kommentar (ich denke da zum Beispiel an Thomas Fischer im Spiegel) ein sprachliches Kunstwerk sein?
Warum also schreiben? Weil es Spaß macht, weil wir etwas zu sagen haben, weil wir eine Geschichte erzählen wollen, weil wir die Idee für einen tollen Plot niederschreiben möchten, oder, ja, auch das muss erlaubt sein, weil wir uns etwas von der Seele schreiben mussten.
Na und?
Lasst die Leser, das Publikum entscheiden, was sie mögen. Dabei gilt aber nicht die Mehrheitsmeinung, ganz im Gegenteil, wir können uns glücklich schätzen, dass in unserem Kulturkreis gerade Diversität vor Massengeschmack gestellt wird. Wie langweilig wäre unsere Welt, wenn wir alle den gleichen Geschmack hätten?